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Aktuell im IPRB

Werbung mit dem Begriff "menschenrechtsverletzungsfrei" - Dürfen Unternehmen die Einhaltung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes werblich nutzen? (Ahrens, IPRB 2023, 186)

Durch das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz) wird die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten in den globalen Lieferketten verschärft. Kann damit geworben werden?

1. Hintergrund
2. Eignet sich die Übernahme von Verantwortung durch konkrete Maßnahmen in der Lieferkette für Hinweise in der Werbung?
3. Zulässigkeit des Hinweises auf Menschenrechtsverletzungsfreiheit
4. Allgemeine Irreführungsrisiken
5. Beweisfragen
6. Risikominimierende Hinweise
7. Fazit


1. Hintergrund

Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – LkSG) v. 16.7.2021, BGBl. I 2959, ist am 1.1.2023 in Kraft getreten. Es regelt die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten in den globalen Lieferketten. Hierzu gehören beispielsweise der Schutz vor Kinderarbeit, das Recht auf faire Löhne sowie der Schutz der Umwelt. Das Gesetz verpflichtet Unternehmen in Deutschland zur Einhaltung definierter Sorgfaltspflichten. Diese Pflichten gelten nicht nur für den eigenen Geschäftsbereich, sondern auch für diejenigen sowohl der unmittelbaren Vertragspartner als auch z.B. weiterer mittelbarer Vertragspartner und Zulieferer. Es soll die gesamte Lieferkette erfasst werden. Die Verantwortung des Unternehmers beschränkt sich folglich nicht mehr nur auf den Bereich des eigenen Unternehmens, sondern wird auf die gesamte Lieferkette ausgedehnt.

Unternehmen müssen zunächst die Risiken in ihren Lieferketten ermitteln, bewerten und priorisieren. Darauf aufbauend muss eine Grundsatzerklärung veröffentlicht und Maßnahmen ergriffen werden, um Verstöße gegen Menschenrechte sowie Schädigungen der Umwelt zu vermeiden oder zu minimieren. Das Gesetz regelt, welche Präventions- und Abhilfemaßnahmen notwendig sind. Auch die Einrichtung von Beschwerdekanälen für Betroffene in den Lieferketten sowie eine regelmäßige Berichterstattung über das Lieferkettenmanagement sind erforderlich.

Zu beachten ist auch, dass es einen Richtlinienentwurf der EU gibt, der diese Thematik zukünftig EU-weit regeln soll und gegebenenfalls in Details abweichende Regelungen enthalten kann (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937; COM (2022) 71 final).

2. Eignet sich die Übernahme von Verantwortung durch konkrete Maßnahmen in der Lieferkette für Hinweise in der Werbung?
Die Einhaltung von Menschenrechten ist ohne Zweifel ein wichtiges Thema. Art. 2 des EU-Vertrages stellt klar, dass die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören, diejenigen Werte sind, auf die sich die Union gründet . Gemäß Art. 3 des EU-Vertrages ist das Ziel der Union u.a. die Förderung dieser Werte.

Es handelt sich dabei auch nicht lediglich um wenig beachtete juristische Zielvorstellungen, die im alltäglichen Leben der Menschen keine große Rolle spielen. Zwar hat der Schutz der Menschenrechte in der EU und insbesondere in Deutschland aufgrund des durch das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewährleisteten Rechtsschutzes ein sehr hohes Niveau erreicht (vgl. von Raumer, Das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – auch für Ansprüche aus dem Medienrecht und dem gewerblichen Rechtsschutz?, IPRB 2023, 34 ff.), so dass der einzelne Bürger sich vor Menschenrechtsverletzungen kaum noch fürchten dürfte. Eine sehr große Mehrheit der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland setzt sich aber beispielsweise dafür ein, dass...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 05.10.2023 16:45
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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