Otto Schmidt Verlag

OLG Frankfurt a.M. v. 15.11.2022 - 11 U 60/21 (Kart)

Transparenz von Sportregelungen mit Strafandrohung

Wird in einem Sportstatut darauf abgestellt, dass im Fall der Teilnahme an einer nicht anerkannten bzw. nicht genehmigten Veranstaltung eine Strafe verhängt werden kann, ist Grundvoraussetzung für eine rechtmäßige Sanktion gegen einen Sportler das Vorliegen rechtlich zulässiger Genehmigungsbestimmungen für die Veranstaltung, daran gebundener Teilnahmebestimmungen und transparent und diskriminierungsfreier Sanktionsregelungen.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist in seiner Freizeit Motorsportler. Der Beklagte ist ein Verband in Deutschland, der Motorsportveranstaltungen veranstaltet und Lizenzen für die Teilnahme vergibt. Zudem erarbeitet er technische Regelwerke für die Veranstaltungen. Gegen den Kläger wurde wegen seiner Teilnahme an einer nicht vom Beklagten genehmigten Rallye ein sportgerichtliches Verfahren durchgeführt. Er wurde verwarnt, erhielt eine zur Bewährung ausgesetzte Geldstrafe und die Weisung, bis Ende 2019 nicht an einer vom Beklagten nicht genehmigten Veranstaltung teilzunehmen.

Bei Abschluss von Lizenzverträgen mit dem Beklagten hatte dieser im Rahmen der Rubrik „Wichtige Hinweise/Erklärung des Antragstellers“ darauf hingewiesen, als Mitglied der FIA berechtigt und verpflichtet zu sein, u.a. das Internationale Sportgesetz der FIA (ISG) zur Anwendung zu verbringen; die Antragsteller verpflichten sich u.a., dass ISG anzuerkennen und zu befolgen. Art. 9.10.1 ISG lautet: Gegen jeden Lizenzinhaber, der an einem nicht anerkannten Wettbewerb teilnimmt, kann eine im Sportgesetz festgelegte Strafe ausgesprochen werden. Art. 2.1.5 a ISG bestimmt: Jeder Wettbewerb oder geplant Wettbewerb, der nicht nach den Bestimmungen des Sportgesetzes und des nationalen Reglements des zuständigen ASN organisiert ist, gilt als nicht anerkannt. Der Beklagte ist in Deutschland der zuständige ASN.

Das LG hat die gegen die Strafe gerichtete Unterlassungsklage abgewiesen. Es war der Ansicht, dass dem Kläger kein Unterlassungsanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 UWG zustünde. § 3 UWG sei bereits kein Schutzgesetz. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG die Entscheidung abgeändert und der Klage stattgegeben.

Die Gründe:
Der Kläger kann gem. §§ 33, 19 Abs. 1 GWB verlangen, dass der Beklagte es unterlässt, ihm Sanktionen wegen der Teilnahme an Sportveranstaltungen anzudrohen oder gegen ihn zu verhängen. Das streitgegenständliche Verhalten des Beklagten verstößt gegen § 19 Abs. 1 GWB. Im Androhen oder Verhängen von Sanktionen wegen der Teilnahme an Sportveranstaltungen liegt ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung seitens des Beklagten.

Über 90% der Rallyeveranstaltungen finden unter dem Dachverband des Beklagten statt. Die Veranstalter der Rennen sind als Mitglieder des Beklagten an die Statuten des Beklagten gebunden. Durch diese Bindung ergibt sich eine marktbeherrschende Stellung des Beklagten zum einen auf dem Markt für die Erteilung der erforderlichen Fahrer- und Teilnehmerlizenzen. Diese werden ausschließlich vom Beklagten für die von seinen Mitgliedern organisierten Veranstaltungen ausgegeben. Soweit der Beklagte unter Rückgriff auf § 2 Nr. 2 b S. 4 seiner Satzung i.V.m. Art. 9.10.1 ISG, wonach gegen jeden Lizenzinhaber, der an einem nicht anerkannten Wettbewerb teilnimmt, eine im Sportgesetz festgelegte Strafe ausgesprochen werden kann, gegen den Kläger ein sportgerichtliches Verfahren durchgeführt und Sanktionen gegen ihn verhängt hat, behindert dies den Kläger unbillig.

Der Begriff der Behinderung ist grundsätzlich weit zu verstehen und erfasst jedes Marktverhalten, das objektiv nachteilige Auswirkungen für den Betroffenen hat. Vorliegend werden die Rennfahrer durch die Androhung von Sanktionen im Fall der Teilnahme an nicht vom Beklagten anerkannten Wettbewerben daran gehindert, an diesen alternativen Rennveranstaltungen teilzunehmen. Ob eine Behinderung unbillig ist, bestimmt sich anhand einer Gesamtwürdigung aller beteiligten Interessen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die auf die Sicherung des Leistungswettbewerbs und insbesondere die Offenheit der Marktzugänge gerichtet ist.

Den Besonderheiten des Sports im dargestellten Interessenfeld wird durch die in der sog. Meca-Medina-Entscheidung des EuGH aufgestellten Abwägungskriterien Rechnung getragen (Urt. v. 18.7.2006 - C 519/04). Das für den Beklagten geltende sog. Ein-Platz-Prinzip, das gewährleistet, dass der prägende Verband mit seinem sportspezifischen Regelwerk zur Vereinheitlichung beitragen kann, führt zwingend zu einem Spannungsfeld mit dem Kartellrecht. Dies rechtfertigt in besonderer Weise die Überprüfung der aufgestellten Regelungen am Maßstab der Meca-Medina-Entscheidung (ebenda). Der Beklagte hat als Verband, der Wettkämpfe überwacht und gleichzeitig die Regeln dafür festlegt, einen deutlichen Vorteil gegenüber Wettbewerbern, die sich diesen Regeln unterwerfen müssen, um Wettkämpfe durchführen zu können (EuG, Urt. v. 16.12.2020 - T-93/18).

Insofern stellt sich die Regelung im vorliegenden Fall als unverhältnismäßig dar, da es ihr an Klarheit und Transparenz hinsichtlich der Sanktionen fehlt (vergleiche auch OLG Nürnberg, Urt. v. 26.1.2021 - 3 U 894/19). Für die Verbandsunterworfenen muss grundsätzlich vorab klar und deutlich erkennbar sein, ob und in welchem Ausmaß ihr Verhalten Konsequenzen nach sich zieht und welche Konsequenzen das sind. Dies bedeutet, dass die Voraussetzungen für Sanktionen klar, objektiv, transparent, nichtdiskriminierend, überprüfbar und abschließend festgelegt werden müssen.

Soweit Art. 9 ISG darauf abstellt, dass die Strafe bei Teilnahme an einer vom Beklagten nicht anerkannten bzw. nicht genehmigten Veranstaltung verhängt werden kann, ist Grundvoraussetzung für eine rechtmäßige Sanktion gegen einen Sportler das Vorliegen rechtlich zulässiger Genehmigungsbestimmungen, daran gebundener Teilnahmebestimmungen und transparent und diskriminierungsfreier Sanktionsregelungen. Ob hier entsprechende klare Genehmigungsbestimmungen vorliegen, erscheint bereits fraglich. Es fehlt jedenfalls an transparenten Sanktionsregelungen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.12.2022 14:20
Quelle: LaReDa Hessen

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