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Produkte als Werke der angewandten Kunst (Prigge, IPRB 2023, 233)

Produkte sind vielfach auch Gebrauchsgegenstände. Ihr Design ist im Idealfall eine Synthese von Ästhetik und Funktionalität. Hieraus ergeben sich aber gewisse Schwierigkeiten, wenn zu bestimmen ist, ob ein Produkt die urheberrechtlich erforderliche Schöpfungshöhe aufweist. Die Entscheidung für eine bestimmte Gestaltung ist bei Produkten nicht nur Ausdruck der Persönlichkeit der Person, die sie erdacht hat. Verwendungszweck, Praktikabilität, zur Verfügung stehender Raum, anerkannte Gestaltungsregeln und andere äußere Faktoren engen die individuellen Entfaltungsmöglichkeiten ein.

Im Verletzungsprozess bedarf es daher einer sorgfältigen Darlegung der Merkmale, die einen urheberrechtlichen Schutz begründen. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die urheberrechtlichen Anforderungen an den urheberrechtlichen Schutz von Produkten.

I. Unionsrechtlich vereinheitlichter Werkbegriff
1. Anwendbarkeit für Werke der angewandten Kunst
2. Merkmale des Werkbegriffs
II. Ermittlung der Werkqualität im Prozess  (Darlegungs- und Beweislast)
III. Schutzbereichsfragen
IV. Beispiele aus der Rechtsprechung
V. Fazit


I. Unionsrechtlich vereinheitlichter Werkbegriff

1. Anwendbarkeit für Werke der angewandten Kunst

Voraussetzung für einen urheberrechtlichen Schutz als Werk der angewandten Kunst gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG ist, dass es sich um eine persönliche geistige Schöpfung i.S.d. § 2 Abs. 2 UrhG handelt. Die Rechtsprechung ist mittlerweile eher großzügig und stellt an Werke der angewandten Kunst im Vergleich zu anderen Werkarten keine besonderen Anforderungen . Insbesondere müssen sie die Durchschnittsgestaltung nicht deutlich überragen. Der EuGH hat in seinem Urteil Cofemel/G-Star Raw  entschieden, dass auch für Werke der angewandten Kunst ein unionsrechtlich vereinheitlichter Werkbegriff gilt und damit auch den in der Literatur diesbezüglich geäußerten Zweifeln eine Absage erteilt.

2. Merkmale des Werkbegriffs
Der Begriff des „Werks“ hat hiernach zwei Tatbestandsmerkmale:

  • 1. Der betreffende Gegenstand muss ein „Original“ sein, also eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellen.
  • 2. Die Einstufung als „Werk“ ist Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung zum Ausdruck bringen.

Ein Gegenstand ist ein Original, wenn er „die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreativen Entscheidungen zum Ausdruck bringt“.  Gebrauchsgegenständen ist allerdings immanent, dass die Gestaltungsmöglichkeiten dem Gebrauchszweck mitunter untergeordnet werden müssen, wenn sie ihre Funktion erfüllen sollen. Ist die Gestaltung durch „technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge“ bestimmt, hatte der Urheber also nur wenig Spielraum, den er kreativ nutzen konnte, fehlt es an der erforderlichen Originalität.

Der BGH hat im Anschluss an die EuGH-Rechtsprechung klargestellt, dass die Vorgaben des EuGH den Anforderungen der bisherigen Linie zu § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG entspricht: Der ästhetische Gehalt der Schöpfung muss hiernach einen Grad erreichen, dass „nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer ‚künstlerischen‘ Leistung gesprochen werden kann“.  Im Wesentlichen technisch bedingte Gestaltungen, mögen sie auch noch so ästhetisch sein, sind urheberrechtlich nicht schutzfähig.  Umgekehrt steht der Gebrauchszweck einem Urheberrechtsschutz nicht per se entgegen, der ästhetische Gehalt muss noch nicht einmal überwiegen.

Die notwendige Ausdrucksform des Werks liegt vor, wenn „es mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbar [ist], auch wenn diese Ausdrucksform nicht notwendigerweise dauerhaft sein sollte“.  Dies hatte der EuGH bereits in einer früheren Entscheidung zur Frage ausgeführt, ob der Geschmack eines Lebensmittels urheberrechtlich schutzfähig ist.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist bei der rechtlichen Beurteilung zu unterscheiden, welche Gestaltungselemente durch den Gebrauchszweck bedingt und welche Ausdruck der künstlerischen Gestaltung des Urhebers sind. Es kommt dabei darauf an, ob nach dem Gesamteindruck aller wesentlichen Eigenschaften , die der Entscheidungsfreiheit des Urhebers offenstanden, die erforderliche Schöpfungshöhe erreicht ist, wobei wie immer die „kleine Münze“ maßgeblich ist.

II. Ermittlung der Werkqualität im Prozess (Darlegungs- und Beweislast)
Der Anspruchsteller muss im gerichtlichen Verfahren darlegen und ggf. beweisen, dass sein Werk urheberrechtlich schutzfähig ist.  Dem genügt er auch bei Gebrauchsgegenständen dadurch, dass er das Werk dem Gericht vorlegt und darlegt, inwieweit es sich ...



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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.11.2023 11:13
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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