Aktuell im IPRB
Insolvenzbedingte Vertragslösungsklauseln in Lizenzverträgen (Leusing/Brandi-Dohrn, IPRB 2023, 168)
Mit seiner Entscheidung v. 27.10.2022 – IX ZR 213/2, legt der BGH umfassend Maßstäbe zur Beurteilung der Wirksamkeit vertraglich vereinbarter Lösungsrechte im Insolvenzfall fest. Während sog. insolvenzunabhängige Klauseln von der Rechtsprechung bereits zuvor als wirksam angesehen wurden, war die Rechtslage bei insolvenzabhängigen Lösungsklauseln bisher nur für bestimmte Vertragstypen geklärt. Der Beitrag beleuchtet die Entwicklung der Rechtsprechung zu dieser Frage und untersucht die Anwendung der neuen Maßstäbe mit besonderem Augenmerk auf den Bereich der Lizenzvertragsgestaltung.
I. Einleitung
II. Insolvenzrechtlicher Hintergrund
III. Arten von vertraglichen Lösungsklauseln
1. Lösungsklauseln – Begriff und Kategorien
2. Insolvenzunabhängige Lösungsklauseln
3. Rechtsprechung zu insolvenzabhängigen Klauseln
(a) Der Grundsatz: Die Entscheidung „Energielieferverträge“
(b) Die Beschränkung des § 103 InsO auf synallagmatische Hauptpflichten
(c) Das Urteil des BGH vom 27.10.2022
IV. Bedeutung für Lizenzvertragsklauseln
1. Lizenzverträge in der Systematik der InsO
2. Zulässigkeit von insolvenzabhängigen Lösungsklauseln in Lizenzverträgen nach neuer Rechtsprechung
(a) Insolvenz des Lizenznehmers
(b) Insolvenz des Lizenzgebers
I. Einleitung
In der Vertragsgestaltung gibt es leider keine Glaskugel – ob der Vertragspartner zahlungsfähig bleibt, ist bei Vertragsabschluss nicht vorherzusehen. Teil des Grundsatzes der Vertragsfreiheit ist die freie Wahl des Vertragspartners – und mit dieser Wahl geht auch das Insolvenzrisiko einher.
Um diesem Risiko zu begegnen, finden sich in Lizenzverträgen zum geistigen Eigentum, ebenso in Software-Verträgen, häufig Klauseln, die dem Vertragspartner ein Lösungsrecht vom Vertrag im Falle der Insolvenz des Vertragsgegners einräumen. Im internationalen Rechtsverkehr werden hier häufig unkritisch Musterformulierungen aus dem US-amerikanischen Raum übernommen. Was für den Vertragspartner ein Vorteil ist, geht aber zu den Lasten der Insolvenzgläubiger – so dass bei deutschen Insolvenzschuldnern ein Verstoß gegen die insolvenzrechtliche Vorschrift des § 119 InsO in Betracht kommen kann.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nach mehreren Entscheidungen zu Teilaspekten der insolvenzrechtlichen Lösungsbefugnis nun mit Urt. v. 27.10.2022 – IX ZR 213/21, Maßstäbe für die Beurteilung der Wirksamkeit derartiger Klauseln aufgezeigt. Wie diese Maßstäbe für Lizenzverträge im Bereich des IT-Rechts und des geistigen Eigentums anzuwenden sind, untersucht dieser Aufsatz.
II. Insolvenzrechtlicher Hintergrund
Tritt beim Vertragspartner Insolvenzreife ein, ist das Schicksal von noch nicht erfüllten gegenseitigen vertraglichen Verpflichtungen ungewiss: Wird ein Insolvenzantrag gestellt, besteht zunächst die Unsicherheit, ob das Insolvenzverfahren überhaupt eröffnet wird. Nach Eröffnung des Verfahrens liegt es grundsätzlich in den Händen des Insolvenzverwalters, ob er die Erfüllung eines gegenseitigen Vertrages gem. § 103 InsO wählt. Dieses Wahlrecht des Insolvenzverwalters dient dem Schutz der Gesamtgläubiger, da vorteilhafte Geschäfte, die zu einer Massevermehrung führen, trotz Insolvenz durchgeführt werden können. Wählt der Insolvenzverwalter die Erfüllung nicht, bleiben die gegenseitigen Ansprüche und Verträge zwar bestehen, aber vertragliche Erfüllungsansprüche sind nicht mehr durchsetzbar. Das Schicksal bestimmter Vertragstypen wird in den §§ 104 ff. InsO gesondert geregelt. Um das Wahlrecht des Insolvenzverwalters zu schützen, werden nach § 119 InsO jegliche Vereinbarungen, die im Voraus die Anwendung der §§ 103 ff. InsO beschränken oder ausschließen, für unwirksam erklärt. Die Kunst der Vertragsgestaltung liegt darin, vertragliche Vereinbarungen zum Schutz der nicht insolventen Vertragspartei zu formulieren, die nicht als Verstoß gegen § 119 InsO zu qualifizieren – und daher wirksam – sind.
III. Arten von vertraglichen Lösungsklauseln
1. Lösungsklauseln – Begriff und Kategorien
Lösungsklauseln sind vertragliche Vereinbarungen, die den Parteien beim Eintritt bestimmter Voraussetzungen
- entweder Gestaltungsrechte einräumen
- oder im Wege einer auflösenden Bedingung automatisch zur Beendigung des Vertrages führen.
Insolvenzrechtliche Lösungsklauseln begegnen in zwei Kategorien:
- Bei insolvenzunabhängigen Lösungsklauseln wird die Beendigung des Vertrages an einen nicht insolvenzspezifischen Umstand, etwa den Verzug oder...
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