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Wegfall der Wiederholungsgefahr III - Kurskorrektur des BGH zu Annahmeerfordernis und nicht bezifferter Vertragsstrafe bei Unterlassungsverpflichtungserklärungen (Jung/Hilger, IPRB 2023, 71)

Unterlassungserklärungen sind ein wichtiges und effektives Mittel der außergerichtlichen Streitbeilegung. Immer wieder hatte die Rechtsprechung im Verlauf der Jahre die Möglichkeit, Anforderungen an die Inhalte von strafbewehrten Unterlassungserklärungen zu konkretisieren. Das kürzlich ergangene BGH-Urteil v. 1.12.2022 – I ZR 144/21 – Wegfall der Wiederholungsgefahr III führt diese Entwicklung fort. Der nachfolgende Beitrag ordnet die Entscheidung in das bisherige System ein und stellt die zentralen Weichenstellungen und neuen Erkenntnisse hierzu vor.

I. Einleitung
II. Funktionen und Voraussetzungen der strafbewehrten Unterlassungserklärung
III. Einordnung des BGH-Urteils „Wegfall der Wiederholungsgefahr III“

1. Sachverhalts- und Problemdarstellung
2. Anforderungen an das zweite Vertragsstrafeversprechen
3. Auswirkungen der Ablehnung einer Annahme der Unterlassungserklärung durch den Gläubiger
IV. Schlussbetrachtung


I. Einleitung

Möchte sich ein Unterlassungsschuldner, der nach begangener Rechtsverletzung einem gesetzlichen Unterlassungsanspruch ausgesetzt ist, nicht gegen diesen wehren, so kann er die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abwenden. Die strafbewehrte Unterlassungserklärung entfaltet dabei eine verfahrensbeendigende Wirkung, indem sie die tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr beseitigt. Als „von der Praxis erfundenes Mittel zur außergerichtlichen Streitbeilegung“ erfuhr die Unterlassungserklärung durch den BGH seit den 1960er-Jahren eine beständige Weiterentwicklung und Prägung. Die zu Beginn noch recht starren Anforderungen an die Unterlassungserklärung wurden nach und nach mit Blick auf praktische Erwägungen sowie zugunsten der Vertragsfreiheit gelockert. Immer wieder betonte der BGH jedoch auch die Nähe zu gerichtlich erwirkten Unterlassungstiteln. Zu beobachten ist ein Drahtseilakt der Unterlassungserklärung zwischen ihren privatrechtlichen und zugleich prozessualen Wirkungen. Die nun erfolgte Rechtsprechungsänderung bzw. -konkretisierung bringt abermals Bewegung in dieses Spannungsfeld.

II. Funktionen und Voraussetzungen der strafbewehrten Unterlassungserklärung
Ziel der strafbewehrten Unterlassungserklärung ist es, Gläubiger und Schuldner wie nach Erlass eines rechtskräftigen Urteils zu stellen. Damit imitiert die Unterwerfungserklärung in gewisser Weise einen gerichtlichen Unterlassungstitel auf außergerichtlicher Ebene. Neben streitbeendigenden Zwecken verfolgt die Erklärung auch Sanktions- und Befriedigungsziele. Entscheidender Vorteil für beide Parteien ist die Vermeidung möglicherweise erheblicher und teilweise aufgrund Unklarheit über den zu erwartenden Streitwert auch nur bedingt vorhersehbarer Gerichtskosten.

Wenn von einer strafbewehrten Unterlassungserklärung die Rede ist, umfasst dies grundsätzlich eine uneingeschränkte, bedingungslose, unwiderrufliche und den gesetzlichen Anspruch vollumfänglich abdeckende Unterlassungsverpflichtung, die durch die Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung abgesichert wird. Die Unterlassungserklärung ist als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zugänglich und richtet sich auf den Abschluss eines Unterlassungsvertrags. Inhaltlich muss der Schuldner die Ernsthaftigkeit seines Unterlassungswillens (Unterlassungsversprechen) eindeutig zum Ausdruck bringen, welchen er durch ein wirksames Strafversprechen mit den Rechtsfolgen des §§ 339 ff. BGB (Strafbewehrung) bekräftigt.

Durch ihre Nähe zum Unterlassungstitel verlangt die Unterwerfungserklärung eine inhaltliche Kongruenz zwischen Erklärung und Anspruch. Die Unterlassungserklärung orientiert sich primär an der identischen Verletzungshandlung. Gleichwohl wird eine Auslegung regelmäßig ergeben, dass sie sich auch auf sog. kerngleiche Handlungen (sog. Kerntheorie) erstreckt. Einschränkungen dieses Willens lässt die Rechtsprechung nur in engen Grenzen zu.

Das Vertragsstrafeversprechen dient dazu, die Unterlassungsverpflichtung des Schuldners abzusichern. Damit verhalten sich Vertragsstrafe und Unterlassungsverpflichtung akzessorisch zueinander. Die Rechtsprechung billigt dem Schuldner im Rahmen der Vertragsstrafegestaltung gewisse Freiheiten zu. Er kann etwa zwischen einer bezifferten und unbezifferten Vertragsstrafe wählen. Insbesondere die unbezifferte Vertragsstrafe (sog. Neuer Hamburger Brauch), nach der die Höhe der Vertragsstrafe der Bestimmung durch den Gläubiger nach billigem Ermessen überlassen wird, bietet beiden Parteien aufgrund ihrer Flexibilität und Möglichkeiten der Berücksichtigung der Einzelfallumstände bei Vorliegen eines Verstoßes wesentliche Vorteile. 9 Dem Gläubiger wird eine flexible Reaktionsmöglichkeit an die Hand gegeben, mit deren Hilfe er die Schwere der Verletzungshandlung bei der Bemessung der Höhe der Vertragsstrafe berücksichtigen kann. Auch der Schuldner profitiert vom nachträglichen Bestimmungsrecht: ihm kommt eine niedrigere Vertragsstrafe bei milderem Verstoß zugute, zumal regelmäßig auch die Überprüfung der Vertragsstrafe durch ein Gericht angestrengt werden kann.

III. Einordnung des BGH-Urteils „Wegfall der Wiederholungsgefahr III“
Schwierigkeiten, die sich im Bereich des Umgangs mit Unterlassungserklärungen stellen, zeigt das kürzlich ergangene Urteil des BGH auf. Sie stammen insbesondere daher, dass...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 04.05.2023 10:22
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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