Otto Schmidt Verlag

LG Frankfurt a.M. v. 6.4.2023 - 2-24 O 133/22

Unangemessene Benachteiligung bei der Autovermietung

Die Pflicht zu Prüfung und Korrektur von Reifendruck und Betriebsflüssigkeiten stellt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters dar, weil sich ein Mieter eines Fahrzeuges darauf verlassen darf, dass der Vermieter die für den Gebrauch des Fahrzeuges notwendige Voraussetzungen geschaffen hat. Nach dem Grundsatz der sog. kundenfeindlichsten Auslegung können Klauseln nicht eingeschränkt zugunsten des Verwenders ausgelegt werden. Vielmehr ist die Auslegung zugrunde zu legen, die für den Verbraucher am ungünstigsten ist.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte bietet insbesondere im Internet die Anmietung von Kfz an. Die Fahrzeuge können über die Website, eine Smartphone-App und über die Hotline der Beklagten gebucht und unmittelbar nach der Buchung genutzt werden. Die Mietzeit kann vom Kunden eigenbestimmt und frei gewählt werden. Die Mietzeit kann jederzeit beendet und das Fahrzeug verriegelt abgestellt werden. Die Fahrzeuge können im normalen Geschäftsbetrieb der Beklagten unmittelbar und in engem zeitlichen Abstand zur Beendigung der vorherigen Miete von einem weiteren Kunden angemietet werden. In ihren AGB regelt die Beklagte in § 9:

㤠9 Benutzung der Fahrzeuge

Der Kunde hat die Fahrzeuge sorgsam zu behandeln und gemäß den Anweisungen in den Handbüchern, den Fahrzeugunterlagen und den Herstellerangaben zu benutzen sowie die Betriebsflüssigkeiten und den Reifendruck zu prüfen und ggf. zu korrigieren.“


Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverband. Er forderte von der Beklagten die überwiegende Unterlassung der Verwendung von § 9 der AGB und die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 17.12.2021 ab. Der Kläger war der Ansicht, die Klausel in § 9 der AGB, soweit diese beanstandet werde, sei unwirksam, weil sie die Verbraucher unangemessen benachteiligen würde.

Das LG hat der Unterlassungsklage stattgegeben.

Die Gründe:
Die Beklagte ist zur Unterlassung der in § 9 der AGB enthaltenen Klausel verpflichtet, soweit diese regelt, dass der Kunde die Fahrzeuge gemäß den Anweisungen in den Handbüchern, den Fahrzeugunterlagen und den Herstellerangaben zu benutzen sowie die Betriebsflüssigkeiten und den Reifendruck zu prüfen und ggf. zu korrigieren hat, weil diese gegen § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB verstößt.

Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Letzteres ist der Fall, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders wird nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vermutet, wenn eine klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gegeben ist.


Infolgedessen ist die von der Beklagten verwendete Klausel in § 9 ihrer AGB, soweit sie den Mietern ihrer Fahrzeuge auferlegt, die Betriebsflüssigkeiten und den Reifendruck zu prüfen und ggf. zu korrigieren, unwirksam. Gem. § 535 Abs. 1 BGB obliegt es dem Vermieter, dem Mieter die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen. Von dieser Pflicht entledigt sich die Beklagte, wenn sie dem Mieter eines Fahrzeuges auferlegt, den Reifendruck und die Betriebsflüssigkeiten zu prüfen und zu korrigieren. Ein Mieter wird sich dabei nicht auf Anzeigen im Cockpit verlassen dürfen, weil er nicht weiß, ob die Anzeigen ordnungsgemäß funktionieren. Die Beklagte beschränkt in ihrer Klausel die Pflicht zur Prüfung auch nicht auf die Kontrolle („Sichtprüfung“) der Anzeigen im Cockpit.

Die Pflicht zu Prüfung und Korrektur stellt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters dar, weil sich ein Mieter eines Fahrzeuges darauf verlassen darf, dass der Vermieter die für den Gebrauch des Fahrzeuges notwendige Voraussetzungen geschaffen hat. Der Einwand der Beklagten unter Hinweis auf § 23 StVO, dass die Pflicht dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug vorschriftsgemäß ist, auch den Fahrer trifft, entledigt die Beklagte nicht von ihrer Pflicht, im Rahmen des Mietverhältnisses mit dem Mieter den gebrauchsgemäßen Zustand der Sache zu schaffen. Nach dem Grundsatz der sog. kundenfeindlichsten Auslegung können Klauseln nicht eingeschränkt zugunsten des Verwenders ausgelegt werden. Vielmehr ist die Auslegung zugrunde zu legen, die für den Verbraucher am ungünstigsten ist. Hiernach ist maßgeblich, dass einem Mieter die Pflicht zur Prüfung und Korrektur bereits ab dem Mietbeginn obliegt.

Soweit die Beklagte den Mietern ihrer Fahrzeuge die Pflicht auferlegt, die Fahrzeuge gemäß den Anweisungen in den Handbüchern, den Fahrzeugunterlagen und den Herstellerangaben zu benutzen, liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor. Erkennbare Intention der Klausel, insbesondere im Rahmen der kundenfeindlichsten Auslegung, ist die Auferlegung der Verantwortung des Mieters für eine Betriebsstörung, wenn diese durch eine Nutzung des Fahrzeuges entgegen einer Angabe in den genannten Unterlagen verursacht wurde. Ein Mieter wird deshalb gehalten sein, „die Handbücher, Fahrzeugunterlagen und Herstellerangaben“ vor Antritt einer Fahrt zu studieren, um nicht in die Gefahr einer sachwidrigen Nutzung zu gelangen. Dabei bleibt es nach der Klausel offen, um welche konkreten Unterlagen es sich handelt. Eine solche Verpflichtung benachteiligt einen Mieter, der Verbraucher ist, unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB.

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Aufsatz
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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.04.2023 11:45
Quelle: LaReDa Hessen

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