Otto Schmidt Verlag

BGH v. 13.12.2022 - VI ZR 54/21

Kein Anspruchs auf Löschung und Unterlassung der Verarbeitung von personenbezogenen Daten in Arztsuch- und -bewertungsportal

Das auf den Basis-Profilen fehlende Portraitbild in einem Arztsuch- und -bewertungsportal (jameda) im Internet ist nicht geeignet, einen das Profil des betreffenden Arztes "besuchenden" potentiellen Patienten auf das Profil eines mit diesem konkurrierenden, aber zahlenden Arztes zu leiten. Das Fehlen eines Bildes auf dem Basis-Profil lässt schon im Ausgangspunkt keinen Schluss darauf zu, der betroffene Arzt sei weniger qualifiziert als der Inhaber eines Premium-Profils mit Bild.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte betreibt unter der Internetadresse www.jameda.de ein Arztsuch- und Bewertungsportal. Darin können Informationen über Ärzte und Träger anderer Heilberufe kostenfrei abgerufen werden. Zu jedem Arzt wird - auch ohne dessen Veranlassung oder Einwilligung - auf der Webseite auf der Grundlage von öffentlich zugänglichen Daten ein sog. Basis-Profil vorgehalten, in dessen Rahmen Name, ggf. akademischer Grad, Fachrichtung sowie Anschrift und Telefonnummer der Praxis aufgeführt werden.

Die Beklagte bietet zwei entgeltliche "Premium-Pakete" an, mit denen Kunden ihr Profil mit einem Portraitfoto, weiteren Bildern und zusätzlichen Informationen versehen können. Auf den Premium-Profilen ist jeweils der Hinweis "Gold-Kunde" oder "Platin-Kunde" eingeblendet und über das unmittelbar daneben befindliche "i" kann folgender Hinweis als Mouseover-Text abgerufen werden: "Dr. med. XX ist zahlender jameda Kunde, um Patienten umfangreich über sich zu informieren (z.B. durch Bilder und Texte). Dies hat keinen Einfluss auf die Bewertungen von Dr. med. XX oder die Platzierung in den jameda Ärztelisten." In dem Feld für das Portraitfoto ist eine graue männliche oder weibliche Silhouette als Profilbild eingestellt, wenn der betroffene Arzt kein "Premium-Paket" erwirbt. Alle Profile sind für jeden Internetnutzer einsehbar. Den Nutzern wird die Möglichkeit geboten, die Leistungen der verzeichneten Ärzte auf deren jeweiligen Profilen zu bewerten.

Die Klägerin ist Kinder- und Jugendärztin. Sie hat bei der Beklagten kein kostenpflichtiges Paket gebucht und nicht in die Aufnahme ihrer Daten in das Portal der Beklagten eingewilligt. Sie hat die Beklagte auf Löschung des über sie veröffentlichten Profils sowie Unterlassung der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten in Anspruch genommen.

Das LG hat die Klage auf Löschung und Unterlassung abgewiesen. Berufung und Revision der Klägerin blieben erfolglos.

Gründe:
Die Vorinstanzen haben im Ergebnis zu Recht die geltend gemachten Ansprüche auf Löschung und Unterlassung verneint.

Die Voraussetzungen des sich aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO ergebenden Löschungsanspruchs sind nicht gegeben. Zwar "verarbeitet" die Beklagte die Daten i.S.v. Art. 4 Nr. 2 DS-GVO., indem sie diese im Rahmen ihres Portalbetriebs erhebt, erfasst, ordnet, speichert und den Nutzern ihres Portals gegenüber offenlegt. Damit nimmt sie allerdings sowohl eigene berechtigte Interessen als auch berechtigte Interessen der Nutzer ihres Portals wahr. Das Interesse der Beklagten an dem Betrieb des Portals fällt zunächst in den Schutzbereich von Art. 11 Abs. 1 der - hier maßgebenden - Charta der Grundrechte der EU (GRCh), der schon nach seinem Wortlaut nicht nur die Äußerung der eigenen Meinung, sondern auch die Weitergabe fremder Meinungen und Informationen schützt. Darüber hinaus gehört der Portalbetrieb, mit dem die Beklagte eine von der Rechtsordnung grundsätzlich gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion erfüllt, gerade auch in seiner Ausprägung als Geschäftsmodell zur von Art. 16 GRCh geschützten gewerblichen Tätigkeit der Beklagten.

Berechtigte Nutzerinteressen nimmt die Beklagte mit dem Betrieb ihres Portals und der damit verbundenen Verarbeitung der personenbezogenen Daten (auch) der Klägerin insoweit wahr, als sie aktiven Nutzern dadurch die von Art. 11 Abs. 1 GRCh geschützte Abgabe und Verbreitung einer Meinung ermöglicht und passiven Nutzern die - ebenfalls von Art. 11 GRCh erfasste - Möglichkeit verschafft, davon Kenntnis zu nehmen. Für den Betrieb des Bewertungsportals ist die von der Beklagten vorgenommene Verarbeitung der personenbezogenen Daten der im Portal - möglichst vollständig - gelisteten Ärzte unabdingbar. Denn ohne deren hinreichende Identifizierbarkeit wäre ein solches Portal weder in der Lage, den Portalnutzern einen Überblick über die für sie und ihr Leiden infrage kommenden Ärzte zu verschaffen, noch, diese von den Nutzern des Portals bewerten zu lassen.

Schließlich überwiegen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Klägerin die von der Beklagten mit dem Portalbetrieb wahrgenommenen berechtigten Interessen nicht. Im Rahmen der nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f. DS-GVO vorzunehmenden Abwägung sind zugunsten der Klägerin außer ihrem Recht auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten gemäß Art. 8 GRCh die nicht unerheblichen Gefahren für ihren sozialen und beruflichen Geltungsanspruch (Art. 7 GRCh) sowie den wirtschaftlichen Erfolg ihrer selbständigen Tätigkeit (Art. 16 GRCh) zu berücksichtigen, die ihre Aufnahme in das von der Beklagten betriebene Portal und die damit verbundene Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten mit sich bringen kann. Der bloße Umstand, dass zahlende Ärzte bei der Gestaltung ihres Profils gegenüber der nichtzahlenden Klägerin Vorteile genießen, führt nicht zu einem Überwiegen der Interessen der Klägerin am Unterbleiben der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten.

Das auf den Basis-Profilen fehlende Portraitbild ist nicht geeignet, einen das Profil des betreffenden Arztes "besuchenden" potentiellen Patienten auf das Profil eines mit diesem konkurrierenden, aber zahlenden Arztes zu leiten. Den diesbezüglichen Unterschied in der Profilgestaltung wird der potentielle Patient erst bemerken, wenn er das Profil eines Premium-Kunden der Beklagten mit demjenigen eines nichtzahlenden Arztes vergleicht. Die sich daraus für den nichtzahlenden Arzt ergebende Belastung ist nicht besonders schwerwiegend. Das Fehlen eines Bildes auf dem Basis-Profil lässt schon im Ausgangspunkt keinen Schluss darauf zu, der betroffene Arzt sei weniger qualifiziert als der Inhaber eines Premium-Profils mit Bild.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 27.01.2023 13:00
Quelle: BGH online

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